Die Widrigkeiten im Leben eines Linkshänders

Die Widrigkeiten im Leben eines Linkshänders

Sandra Schweiger-Pöllner mit Michaela Mayer

In einer Welt voller Rechtshänder haben Linkshänder auch heute noch mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Michaela Mayer von der Chiemgau Linkshänder Initiative kennt sie nur zu gut.

Ganz genau weiß man es nicht, aber ungefähr 10 – 15% aller Menschen auf der Welt sind Linkshänder. „Ich spreche lieber von einer Links – Dominanz“, merkt Michaela Mayer an, Hirnforscher hätten herausgefunden, dass bei Linkshändern meist die rechte Gehirnhälfte aktiver ist und so der ganze Körper auf links gepolt sein kann. „Machen sie mal mit den Händen eine Raute vor ihrem Gesicht und visieren durch diese etwas an“, fordert die Lerntrainerin auf. Viele Linkshänder würden mit dem linken Auge durch diese Raute blicken. „Ich ziehe mir zum Beispiel wie auch immer den linken Schuh als Erstes an.“

Viele Forscher glauben, dass Linkshändigkeit größtenteils genetisch bedingt ist. Manchmal sei es vielleicht auch ein Nachahmen, nimmt Michaela Mayer an: Kinder kopieren das, was ihre Eltern oder Geschwister tun. Sie selbst war als Kind die einzige Linkshänderin in der Familie. Darum seien ihre Eltern auch unsicher gewesen, als sie 1972 eingeschult worden sei. „Ich hatte aber das Glück, eine Lehrerin zu haben, die in der damaligen Reformpädagogik ihre Lehramtsausbildung gemacht hat.“

Die Pädagogin habe den Eltern abgeraten, ihre Tochter zu drängen mit der rechten Hand zu schreiben. „Sie meinte, ich würde mich dann vielleicht so sehr auf das Halten des Stiftes konzentrieren, dass der eigentliche Schrifterwerb zur Nebensache werden könnte.“ Die Empfehlung der Lehrer und auch deren Akzeptanz durch die Eltern sei damals keine Selbstverständlichkeit gewesen. „Das war schon eine Andersartigkeit, wenn man nicht mit der schönen Hand schrieb“, sagt Michaela Mayer.

Linkshändigkeit, Linshändertag, Traunstein
Foto: Leko Mayer

Bis heute gibt es Kinder, die man im Kindergarten oder in der Schule umerzieht. „Ich hatte zum Beispiel ein Mädchen bei mir in der Praxis, eingeschult 2014, das von ihrer Lehrerin immer wieder zum Schreiben mit der rechten Hand gedrängt wurde.“ In der Folge sei die Grundschülerin im Schriftspracherwerb deutlich hinter ihren Mitschülern zurückgeblieben. „Daraufhin hat man bei ihr eine Lese-/ Rechtschreibschwäche diagnostiziert.“ Die Lerntrainerin aber glaubt, dass das Schreiben mit der rechten Hand dem Mädchen zu viel abverlangt hat.

Die Traunreuterin weiß, dass sich das Schreiben mit der linken Hand durchaus auch negativ auswirken kann. „Wer den Stift mit der linken Hand hält, der zieht ihn nicht, sondern muss ihn schieben.“ Das sei ein ganz anderer Bewegungsablauf, den das Gehirn steuern und koordinieren müsse. „Im Schreiberwerb ist das vermutlich auch anstrengender“, so Michaela Mayer. Dazu passiere es – besonders beim Schreiben mit dem Füller – immer wieder, dass man das Geschriebene verwische. Dennoch ist sie überzeugt, dass das „erzwungene“ oder „unbewusst umerzogene“ Schreiben mit rechts keine Alternative für Linkshänder ist. „Das ist ein ständiges gegen sich Arbeiten.“

Immerhin finde die „Umerziehung“ heute nicht mehr „in dem brachialen Umfang“ wie noch vor Jahren statt, weiß die 55-jährige. Bei einer eigenen kleinen Linkshänder Studie, die sie vor 3 Jahren mit rund 200 Teilnehmern durchführte, hätten die zwischen 1950 und 1960 geborenen überwiegend berichtet, dass sie das Schreiben mit der rechten Hand lernen mussten. Ab den 1980ern „durfte“ man generell auch mit links schreiben.

Doch nicht nur die Schulzeit ist für Linkshänder eine Herausforderung, das weiß Michaela Mayer aus eigener Erfahrung. „Ich habe in den 80er Jahren den Friseur Beruf erlernt, damals machten wir viele Dauerwellen. Ich habe die Wickler immer falsch herum zugemacht“, erinnert sie sich.

Dazu kämen praktische Probleme im Alltag. „Diese Klappautoschlüssel, wenn sie die richtig halten, dann springen sie einem Linkshänder in die Hand rein. Und wenn ich den Schlüssel umdrehe, sehe nicht mehr, wo die Symbole für Öffnen oder Schließen stehen. Oder nehmen sie das Kartenspiel UNO, da stehen die Zahlen nur auf der linken Seite, wenn sie die Karten in der linken Hand sortieren, sehen sie die Zahlen nicht mehr.“ Darum ist Michaela Mayer froh, dass es inzwischen auch spezielle Linkshänder Utensilien gibt, Scheren zum Beispiel. „Wenn ein Linkshänder mit einer Rechtshänderschere schneidet, sehen sie nämlich die Schnittkante nicht.“

Linkshändigkeit, Linkshändertag, Legasthenie, Dyskalkulie
Foto: Leko Mayer

Durch den Austausch mit anderen Linkshändern weiß Michaela Mayer, dass bei vielen gerade die negativen Erlebnisse haften bleiben. „Einigen wurde die linke Hand am Stuhl festgebunden, damit sie mit der rechten Hand schreiben“, erzählt die Lerntrainerin. Ein Mann habe ihr erzählt, dass man ihm immer auf die linke Hand gehauen habe, wenn er damit den Suppenlöffel hielt.

Eine Frau, die Anfang der 1950er Jahre geboren wurde, berichtete gar von einem traumatischen Kindheitserlebnis. „Als Erstklässlerin zeigte sie ihrer Patentante stolz, dass sie schon schreiben kann. Als die aber sah, dass das Mädchen mit links schreibt, sagte sie zu dessen Mutter: Ich kann nicht mehr ihre Patentante sein, sie schreibt ja mit der Teufelshand.“ Der Satz habe sich ins Gedächtnis des Mädchens eingebrannt. „Sie sagte, dass sie seitdem ein gestörtes Verhältnis zu sich selbst habe.“

Einladung zum Weltlinkshänder-Tag am Freitag, 13.August 2021, in Traunstein

Ein Forum zu Gesprächen, Austausch und Information bietet die Linkshänder-Initiative Chiemgau wieder am Welt-Linkshänder-Tag. Das Treffen findet am Freitag, 13. August, ab 17Uhr im Studio 16 (Bahnhofstraße 16) in Traunstein statt. Anmeldungen sind erwünscht bei Michaela Mayer und Verena Fuchs unter Telefon 0861/8431 (Anrufbeantworter) oder per E-Mail an [email protected] beziehungsweise [email protected]

Interview Quelle: Salzburger Verlagshaus

Interview: Die Widrigkeiten im Leben eines Linkshänders

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2 comments on “Die Widrigkeiten im Leben eines Linkshänders
  1. I. Röber sagt:

    Ich bin als Rechtshänderin in einer Familie mit einigen Linkshändern groß geworden. Mein Vater, 1949 geboren, ist eigentlich Linkshänder genau wie mein Bruder, 1980 geboren. Meinem Vater wurde als Kind die linke Hand auf den Rücken gebunden bzw. er musste mit einem sogenannten „Idiotenlöffel“ essen, der das Löffeln von Suppe für einen Linkshänder schlicht unmöglich machte wenn er mit der linken Hand den Löffel hielt. In der Folge einiger dieser rabiaten Methoden entwickelte mein Vater eine massive Lese-und Rechtschreibschwäche. Mein Bruder sollte vor seiner Einschulung von einem Psychiater begutachtet werden, ob seine Linkshändigkeit echt sei. Der Arzt bescheinigte meinen Eltern ein völlig gesundes Kind und empfahl das Agieren mit der linken Hand, seiner Händigkeit entsprechend. Inzwischen bin ich nun selbst mit einem Linkshänder verheiratet 😉 und als Lehrerin in der Grundschule bin ich mit der Thematik hinlänglich vertraut. Allerdings wird das Thema Linkshändigkeit und Schriftsprachwerwerb nach wie vor kaum oder gar nicht in Studium und Referendariat thematisiert. Hier besteht durchaus Handlungsbedarf. Wie können Lehrer und Lehrerinnen Kinder mit einer Disposition zur Linkshändigkeit unterstützen, welche Hilfsmittel gibt es und mit welchen Schwierigkeiten haben L-Kinder zu kämpfen.

  2. Micha Mayer sagt:

    Vielen Dank für die Schilderung.
    Immer wieder versuche ich auf das unzureichenden oder nicht vorhandene Verständnis, fehlende Kenntnisse der resultierenden Problematiken aufmerksam zu machen.
    Lg michaela mayer

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